Hessische Automobilgeschichte

Der Garbaty aus Mainz

In den 1920er Jahren gab es in Mainz einen kleinen Autohersteller mit dem Namen Garbaty.
Gründer der kleinen Mainzer Automobilfabrik war Moise Gorbáty, ein in Weißrussland geborener Unternehmer jüdischen Glaubens, der 1905 zunächst nach Berlin emigrierte. Sein Weg führte bald nach Wien, bevor er ab 1908 in Frankreich lebte. In Paris betrieb er eine Buchhandlung und lernte dort seine aus Deutschland stammende Frau kennen. Nach dem Ersten Weltkrieg wanderte die Familie Gorbáty nach Deutschland aus, wo Moise in Mainz um 1920 einen Gebrauchtwagenhandel, den Autopark Gorbáty, betrieb. Das Unternehmen führte nach Angabe der Geschäftspapiere Filialen in Berlin und Saarbrücken. Es ist zu vermuten, dass er einen regen Handel mit dem vom Ersten Weltkrieg massenweise übrig gebliebenen Fahrzeugmaterial betrieb.
Im Juni 1921 ließ Moise Gorbáty seinen Nachnamen in Garbaty ändern. Eine Werbung der Zigarettenfabrik Garbaty aus Berlin, angebracht am Mainzer Bahnhof, gab ihm den Antrieb – er dachte, der bekannte Namen könnte ihm bei seinen geschäftlichen Aktivitäten behilflich sein.
1924 gründete er in der Bingerstraße 25 (Bingertor) das Garbaty Auto-Werk Mainz, wo in der Folge der 5/25 PS Garbaty-Wagen entstand. Wie damals viele Autobauer verwendete Garbaty Fahrzeugkomponenten anderer Hersteller: So lieferten die französischen Hersteller CIME aus Paris und Chapuis-Donier die Motoren. Die Hinterachse stammte vom Ford T-Modell. Nach anderen Berichten fanden auch Achsen vom Renault NN oder Citroen B 14 Verwendung.
An Citroen erinnerte auch das achteckige Logo des Garbaty-Wagens am Kühler. Dazu wurde von alten Mitarbeitern erzählt, Moise Garbaty hätte aus alten Beständen jede Menge Citroen-Kühlermasken erworben. In die Prägung des Citroen-Emblems passte nur ein ähnliches Zeichen.
Der Wagen scheint also ein bunter »Teilemix« gewesen zu sein, wobei heute nicht mehr bekannt ist, welcher Techniker den kleinen Mainzer Wagen entworfen hat.
Nach Angabe der zeitgemäßen Literatur war der 5/25 PS Garbaty ein einfach und solide konstruiertes Automobil in konventioneller Bauweise. Der Garbaty-Wagen wurde als Phaeton und Limousine angeboten. Mit einer Länge von etwa 3500 mm kein sehr großer Wagen. Der 1,2 Liter Vierzylindermotor leistete 25 PS und ermöglichte dem etwa 750 kg schweren Wagen eine Spitzengeschwindigkeit von etwa 95 km/h. Mit diesem beachtlichen Tempo pries Garbaty sein Produkt in der Werbung als „(…) der billigste und schnellste Viersitzer Deutschlands!“ an.
So ist es kaum verwunderlich, dass es von diesem Wagen auch Sport- und Rennversionen gab. Wahrscheinlich konnten Garbaty-Wagen aber nicht allzu viel Rennerfolge erzielen.
Erfolgreicher liefen die Wagen als Kraftdroschken.
Mit etwa 30 Angestellten baute Garbaty bis zum Dezember 1927 insgesamt etwa 400 Autos, dann gab er die Produktion auf. Die Familie zog danach wieder zurĂĽck nach Paris.
Moise Garbaty wurde dort zu einem Opfer der dunkelsten Seite der Geschichte des 20sten Jahrhunderts: Am 16. Juli 1942 wurden die rund 13.000 noch in Paris verbliebenen Juden verhaftet und in die osteuropäischen Konzentrationslager transportiert. So auch Moise Garbaty, der im August nach Auschwitz deportiert wurde, wo er einen Monat ermordet wurde.
Einer der in Mainz gebauten Garbaty 5/25 PS hat die Zeit ĂĽberdauert und ist heute im Besitz der in Frankreich lebenden Familie Garbaty.

Siehe dazu:
Schollenberger, W., Hupe – das regionale Automagazin, „Fast vergessen – Autos aus Südhessen“, Serie Februar bis November 2011 (Echo Zeitungen GmbH Darmstadt);



Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Der kleine Garbaty

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Garbaty Werbung

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Garbaty Produktion 1927. Vorne Rechts am Fahrzeug Moise Garbaty vor seiner Belgschaft

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Garbaty Limousine

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Garbaty Droschke Hamburg

Werner Schollenberger - Beiträge zur Automobilgeschichte
Der letzte 5 25 PS heute in Besitz der Familie Garbaty in Frankreich